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Nachrichtenarchiv

Anfang November 2013 feierte Altabt Odilo Lechner sein 60jähriges Professjubiläum

01.11.2013

„Dichter und Schrankenwärter“ wollte er eigentlich werden. Das erste, um der Neigung nachzugehen und das zweite, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Weichen aber hat Gott für Hans Helmut Lechner etwas anders gestellt. Er wurde Mönch, erhielt den Ordensnamen Odilo, legt am 7. November 1953 seine ersten Gelübde ab. Bei seiner Wahl 1964 war Pater Odilo der jüngste Benediktinerabt deutschlandweit und nahm dieses Leitungsamt für die Benediktiner von München und Andechs fast 40 Jahre lang wahr. Im Gespräch blickt Altabt Odilo zurück und spricht auch über seine Wünsche und Hoffnungen.

Interview für das Andechser Bergecho:

Lieber Abt Odilo, Ihre ersten Berufswünsche lassen ja zunächst einmal keine Affinität zum geistlichen Stand erkennen als eher eine Verbundenheit mit Literatur und dem Bahnverkehr?

Altabt Odilo Lechner [schmunzelt] „Als Junge hat mich eine Verfilmung von Schillers Leben sehr beeindruckt. Aber mir war als Sohn eines Bankbeamten auch schnell klar, dass ich von diesem Beruf nicht würde leben können. So erträumte ich mir eine Existenz als dichtender Schrankenwärter, wo ich nur dann mit Dichten aufhören müsste, wenn die Schranken zu betätigen sind. Aber schon zu dieser Zeit hat mich eine fromme Tante mit dem Priestertum in Kontakt gebracht, indem Sie mir Kinder-Meßgeräte schenkte.

Sie haben die Jahre der NS-Diktatur sicher noch lebendig vor Augen?

Abt Odilo: Ja, sicher. Dass das so genannte Tausendjährige Reich sein Ende bereits nach zwölf Jahren findet, die Kirche aber (bei aller Verstrickung und allem schuldhaften Schweigen) bleibt, das hat viele – leider viel zu spät - zur Besinnung gebracht. Mir ist eine kleine Begegnung bei einer Bahnfahrt 1943 noch sehr präsent. Im Zug fragte mich ein Herr nach meiner Schulart. Und als ich das Gymnasium nannte, hellte sich sein Blick auf und er meinte: „Da, wo man Latein lernt?“ Ja, meinte ich. „Ja, willst´s vielleicht Pfarrer werden?“ Nein, entgegnete ich. „Des dann doch nicht“, antwortete er und sein Tonfall leiser Enttäuschung ist mir bis heute im Ohr. Da war jemand, der mir das zutraute, ja sich einen Priester wünschte. Ganz entgegen der damals üblichen Verfolgung von Priestern durch die Nazis.“

Wie sind sie auf Sankt Bonifaz aufmerksam geworden?

Abt Odilo: „Eher über Umwege. Andechs kannte ich ja schon, da meine Eltern ein Wochenendhaus in Weßling hatten. So waren wir auch häufiger im Klostergasthof. Und ich bin hin und wieder zu Frater Urban in den Klosterladen hinaufgegangen, um das ein oder andere Andenken für meine 

Eltern zu besorgen. Ins Bräustüberl gingen wir grundsätzlich nicht. [lächelt verschmitzt] Meine Eltern hielten das wohl nicht für den richtigen Umgang für mich. Aber erst in meiner Zeit im Gymnasium in Metten kam ich mit den Benediktinern näher in Kontakt. Ich hätte natürlich auch dort eintreten können, aber ich wollte unbedingt in die Stadtseelsorge. Das hat mich schließlich nach Sankt Bonifaz geführt.“

Haben Sie persönliche Vorbilder im klösterlichen Leben gehabt?

Abt Odilo:„Der damalige Prior von Metten, Pater Benedikt Busch – auch ein Münchner – hat mich sicher sehr geprägt. In Innsbruck zu studieren, geht u.a. auf sein Vorbild zurück. In Sankt Bonifaz war es Pater Augustin Engl, der damalige Novizenmeister. Nicht ohne Grund war er für viele Menschen in München ein gesuchter Beichtvater und Begleiter, auch für mich als Novizen. Seine maßvolle Lebensführung, die sicher auch seiner schwachen Gesundheit geschuldet war, hat mir sehr imponiert.“

Was hat das klösterliche Leben für Sie besonders lebenswert und attraktiv gemacht?

Abt Odilo: „Was mich von Anfang fasziniert hat in Sankt Bonifaz, war die Verbindung von Weltoffenheit und Strenge. Auf der einen Seite war der klösterliche Tagesablauf sehr stark reglementiert. Um 4 Uhr in der Früh hieß es aufstehen. Baden konnten wir in der Nachkriegszeit erst nur alle 14 Tage, dann schließlich wöchentlich. Da musste man sich noch in Listen eintragen. Auf der anderen Seite erlebte ich eine große Freiheit. Da war meine Tätigkeit als Kaplan in Sankt Bonifaz, die Möglichkeit in München und Würzburg studieren bzw. promovieren zu können. Später dann auch meine Mitarbeit in Salzburg am Philosophischen Institut und am Internationalen Forschungszentrum für Grundfragen der Wissenschaften und als Spiritual.“

Waren Sie sich Ihrer Entscheidung, Ordensmann zu werden, immer sicher?

Abt Odilo: „Im Noviziat ja. In der Folgezeit nicht immer. Nach meiner zeitlichen Profess [Anm.: 1953] gab es eine kritische Zeit für mich. Aber ich war sicher: Ganz austreten wollte ich nicht. Vielleicht hätte ich um Aufnahme in einem anderen Kloster gebeten. Geholfen und im Kloster letztlich gehalten hat mich in dieser Zeit ein befreundeter Benediktiner aus Metten, der mir riet: „Wenn Du austreten willst, dann sag: ‚Ja, ich trete aus. Aber erst in 14 Tagen‘“. Und nach zwei Wochen sah die klösterliche Welt dann doch wieder anders aus.“

Die klösterliche Welt hat sich dann 1964 mit Ihrer Wahl zum Abt noch einmal ganz grundlegend verändert.

Abt Odilo: „Damals konnten ja nur die Priestermönche wählen und die Wahl fiel auf den Jüngsten. Mich. Und ich hatte wirklich nicht damit gerechnet. 

Vielleicht haben mich die Mitbrüder damals nicht so gut gekannt.“

Bei Ihrer Wahl zählte der Konvent rund 40 Mönche. Heute sind es noch 19. Sind Sie über diese Entwicklung nicht traurig oder enttäuscht?

Abt Odilo: „Offenkundig war unsere klösterliche Gemeinschaft schon Mitte der 1960er Jahre stark überaltert. Ich erinnere mich an einen meiner ersten 

Gedanken nach der Abtwahl: „Nun, dann wird Deine Haupttätigkeit als Abt wohl das Beerdigen sein“. Klar war, dass der Nachwuchs nicht mehr so „kommen“ würde wie zuvor, auch weil die Familien damals schon kleiner geworden waren. Fünf bis acht Kinder waren auch in den 50ern und 60ern viel seltener geworden - und entsprechend die Wahrscheinlichkeit geringer, dass jemand einen Ordensberuf ergreifen würde. Ich habe dennoch versucht, von der Hoffnung zu leben. Der Abt von Niederalteich, Emmanuel Heufelder [legte sein Amt 1968 nieder und starb 1982; Anm. d. Red.], gab mir ein gutes Leitwort mit auf den Weg : „sperare contra spem – wider alle Hoffnung hoffen.“ Auch an diesem Wort konnte ich mich in schwierigen Situationen aufrichten. Und heute sehe ich, dass es sich gelohnt hat, die Hoffnung nicht fahren zu lassen.“

Die Benediksregel spricht davon, wie schwierig es ist, Menschen zu führen und der "Eigenart vieler zu dienen" (Kapitel 2). Welches waren für Sie wichtige Leitlinien Ihres Dienstes als Abt?

Abt Odilo:„Mit Blick auf die in der Regel erwähnten „Eigenart vieler“ fiel es mir schon immer leicht, Unterschiede zu akzeptieren. Ich sehe diese Eigenarten zunächst einmal als unterschiedliche Möglichkeiten, Gott zu suchen und zu dienen. Der hl. Benedikt sagt ja auch in 40. Kapitel der Regel über das Maß des Getränkes in Anlehnung anden hl. Paulus: „Jeder hat seine Gnadengabe von Gott, der eine so, der andere so.“ So war es mir immer ein Anliegen, den Gaben der Mitbrüder zunächst Wertschätzung entgegenzubringen und sie als Bereicherung für unsere klösterliche Gemeinschaft zu verstehen. Dass dies auch hin und wieder zu Lasten der Durchsetzung verschiedener Vorhaben ging, versteht sich.“

Welche Entscheidung ist Ihnen als Abt am schwersten gefallen?

Abt Odilo: „Das ist im Rückblick schwer zu sagen. Viel Kraft und Geduld hat es gekostet, in der Zeit nach 1967 beharrlich auf Nachwuchs für unsere klösterliche Gemeinschaft zu hoffen und mit vielen jungen Männern an der Klärung ihrer Berufung im wahrsten Sinne des Wortes zu arbeiten. Heute sehe ich, dass diese Mühe schöne Früchte trägt. Stark beschäftigt haben mich auch immer wieder die großen Bauprojekte in den 1960er und 1970er Jahren, zum Beispiel der Neubau der Brauerei in Andechs und vor allem 

die Frage, wie sich der Wiederaufbau der Basilika Sankt Bonifaz realisieren lässt.“

Sankt Bonifaz wurde in Ihrer Amtszeit zu einem Zentrum lebendiger und weltoffener Glaubenspflege. Welche Schwierigkeiten ergeben sich, wenn man Mönch und Seelsorger zugleich ist und das unter den Bedingungen einer pulsierenden Großstadt wie München?

Abt Odilo:„Ja, diese Spannung zwischen klösterlichem Leben und pastoralem Engagement besteht. Sie ist Sankt Bonifaz ja durch die Gründungsurkunde König Ludwigs in die Wiege gelegt worden. So betreute die Abtei bis nach dem 1. Weltkrieg rund 60.000 Seelen. Dazu hatte sie auch die Nachbarpfarreien Sankt Benedikt und Sankt Rupert gegründet. Nach dem 2. Weltkrieg wurden im Umkreis von Sankt Bonifaz fast nur Institute, ürohäuser und Geschäfte aufgebaut. So wurde Cityseelsorge wichtig. Darum haben wir schon 1965 mit dem Colloquium Benedictinum ein Forum gegründet, wo Menschen im Blick auf aktuelle Fragen der Zeit Orientierung aus dem Evangelium finden können. Grundsätzlich waren die Benediktiner immer schon pastoral ausgerichtet. Der hl. Benedikt war seelsorgerlich tätig und von Gregor dem Großen, der die Benediktiner zur Mission nach England sandte, wissen wir, dass er die in der Regel geforderte Arbeit der Mönche immer auch als apostolische Arbeit verstand. Der hl. Bonifatius als Patron unseres Klosters unterstreicht diese seelsorgliche Ausrichtung. Aber es ist nicht nur eine Spannung. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Seelsorge unserer 

klösterlichen Stabilität hilft und sie auch vertiefen kann. Zum Beispiel habe ich das Glück, eine Familie inzwischen in der vierten Generation zu begleiten. Die Eltern habe ich vor Jahrzehnten getraut und erst kürzlich den ersten Urenkel getauft.“

Kann Ihr Wahlspruch "Dilatato corde – Mit weitem Herzen" aus dem Prolog der Benediktsregel so etwas wie eine Zielperspektive klösterlichen Lebens beschreiben?

Abt Odilo: „Für mich ist dieser Wahlspruch ein Hoffnungszeichen. Das wird deutlich, wenn man den ganzen Vers 49 des Prologs liest: „Wer aber im klösterlichen Leben fortschreitet, dem wird das Herz weit, und er läuft in unsagbarem Glück der Liebe den Weg der Gebote Gottes.“ Das ist eine spirituelle Verheißung und hat nichts mit einem kirchenpolitisch gern vereinnahmten so genannten „linkskatholischen Liberalismus“ zu tun. Es heißt nichts anderes, als dass das, was man auf dem Weg der Gottsuche zunächst als eng und bedrückend empfindet, sich mit den Jahren weiten kann. Eine beglückende Erfahrung, die ich gerne teile.“

Abt Johannes, Ihr Nachfolger, ist nun auch schon zehn Jahre im Amt. Ein Kloster mit zwei Äbten erscheint vielen Außenstehenden Konfliktpotential zu bieten. Wie ist es in Sankt Bonifaz?

Abt Odilo: Solche Problematiken mag es in verschiedenen Klöstern geben. Wichtig ist meines Erachtens, dass man als Altabt in der Lage ist, wieder ins Glied zurückzutreten, Zurückhaltung zu üben und Verantwortung wirklich abzugeben. Dies ist mir – gerade nach den langen Jahren meines Dienstes - nicht schwer gefallen, zumal Abt Johannes und ich sehr gut miteinander auskommen.

Zur Zukunft von Sankt Bonifaz: Wie ruft heute junge Männer, Ihn zu suchen in einer klösterlichen Gemeinschaft?

Abt Odilo: Die demografische und gesellschaftliche Entwicklung führen heute naturgemäß zu einer geringeren Zahl an Berufungen. Hinzukommt eine große Unabhängigkeit und Wahlfreiheit für den Einzelnen. Nie war die Konkurrenz an Sinnangeboten größer als heute. Und doch führt gerade diese Situation immer wieder Männer zu uns, die – teilweise gereift und geprägt durch interessante Lebens- und auch Karrierestationen – nach einem tieferen Sinn ihrer Existenz fragen. Viele ihrer Fragen spiegeln Gottes Ruf an unsere Gemeinschaft, immer wieder neu aufzubrechen und Ihn zu suchen.

Was wünschen Sie Sankt Bonifaz für die Zukunft und haben Sie einen ganz persönlichen Wunsch, über dessen Erfüllung sie sich besonders freuen würden?

Abt Odilo:Sankt Bonifaz wünsche ich natürlich Nachwuchs, damit wir aus der Kraft des Evangeliums und der Regel unseren Dienst für die Menschen auch in Zukunft tun können. Persönlich [Abt Odilo überlegt lange] habe ich nicht den Wunsch, noch dies oder jenes zu sehen oder zu erleben. Ich bin im Leben so reich beschenkt worden und vieles hat sich einfach gut gefügt. Vielleicht auch weil ich ein Sonntagskind bin. Eigentlich wünsche ich mir nur, so lange es meine Kräfte zulassen, in der Seelsorge für die Menschen da zu sein.

Danke herzlich für dieses Gespräch.