Abt Bonifaz Haneberg

Hochschulprofessor – Abt – Bischof

Abt Bonifaz Haneberg (1854-1872), zweiter Abt von St. Bonifaz

Nachfolger von Abt Paulus Birker wurde am 4. Oktober 1854 Pater Bonifaz Haneberg. Er war damit der erste Abt, der durch die Mönche von St. Bonifaz gewählt wurde, denn sein Vorgänger war noch durch Ludwig I. als Stifter ernannt worden.

Haneberg war am 17. Juni 1816 als Sohn eines Bauern auf der „Oberen Tanne“, einer Anhöhe bei Lenzfried (östlich von Kempten), zur Welt gekommen und auf den Namen Daniel getauft worden. Nach dem Theologiestudium an der Münchener Universität, wo er Lehrveranstaltungen in Theologie, Philosophie und Orientalistik belegt hatte, wurde er am 29. August 1839 durch Bischof Peter Richarz im Augsburger Dom zum Priester geweiht. Am 4. Dezember desselben Jahres erhielt er mit nur 23 Jahren einen Lehrauftrag als Privatdozent für biblisch-orientalische Sprachen an der Theologischen Fakultät der Münchner Universität, am 20. Oktober 1840 ernannte ihn König Ludwig I. zum außerordentlichen und am 28. März 1844 zum ordentlichen Professor für alttestamentliche Exegese und biblisch-orientalische Sprachen. Haneberg beherrschte neben den klassischen Sprachen Latein und Griechisch Hebräisch, Syrisch, Aramäisch, Arabisch und Persisch, verfügte über Kenntnisse in Chinesisch und Sanskrit und sprach Englisch, Französisch, Neugriechisch und Italienisch.

Im Dezember 1850 trat er zusammen mit dem Weltpriester Wilhelm Zenetti (später P. Benedikt Zenetti; von 1872 bis 1904 Abt von St. Bonifaz) und dem Theologiestudenten Franz von Hoffnaass (später P. Odilo von Hoffnaass) als erste Novizen in St. Bonifaz ein.

Seine Lehrtätigkeit an der Universität ließ er zunächst ruhen, nahm sie dann aber wieder auf, nicht zuletzt weil das Kloster das Professorengehalt als zusätzliche Einnahmequelle gut gebrauchen konnte. Auch sein großer Freundeskreis aus dem Umfeld der Universität und aus seinen Jahren vor dem Eintritt in St. Bonifaz – u. a. die Professoren Ignaz Döllinger, Johann Joseph Görres und Johann Nepomuk von Ringseis, der Dichter Clemens Brentano, mit dem Haneberg zeitweise eine gemeinsame Wohnung unterhielt, der Philosoph Ernst von Lasaulx und die Malerin Emilie Linder und ihr Kreis – kam dem Kloster zugute. Hanebergs Freunde wurden auch die Freunde von St. Bonifaz.

Als Abt stellte sich Haneberg von Anfang an ganz bewusst den immensen Anforderungen an die Abtei. Sie entwickelte sich daher nicht ohne Grund zu einem aktiven Zentrum des religiösen und geistig-kulturellen Lebens in der Hauptstadt des Königreichs. Er war Wissenschaftler, Seelsorger, Beichtvater u. a. der königlichen Familie, Prediger, Hochschullehrer, gründete in Andechs die St.-Nikolausanstalt für verwahrloste Kinder, unternahm Missionsreisen nach Nordafrika und Palästina, und übernahm wichtige Ämter in der 1858 wieder begründeten Bayerischen Benediktinerkongregation, gewissermaßen eine Interessensvertretung aller bayerischen Benediktiner und später auch Benediktinerinnen. 1872 wurde er schließlich zum Bischof von Speyer ernannt und starb bereits vier Jahre später, am 31. Mai 1876 – knapp 60 Jahre alt. Der lebenslange Spagat zwischen dem beschaulichen Leben eines Mönchs und den immer größer werdenden Anforderungen und Erwartungen hatte ihn aufgerieben.

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